Beratung · Forschung · Veröffentlichungen · Vorträge
Barbara Strohschein
Barbara Strohschein
Barbara Strohschein
Barbara Strohschein
Barbara Strohschein

Welchen Wert hat die Arbeit?

12. März 2014 · 6 min. Lesezeit · Kategorie: Führungsqualitäten, Sinn, Werte

Welchen Wert hat die Arbeit?

Arbeit macht Freude.
Zuviel Arbeit macht kaputt.
Arbeitslosigkeit macht unglücklich.
Durch menschliche Arbeit entsteht Mehr-Wert.
Durch automatisierte Arbeit entsteht Gewinn.
Gewinn für alle? Weniger Arbeit für alle? Mehr Gesundheit für alle?

Stellen wir uns einmal vor: Fast alle Tätigkeiten, die Menschen bisher verrichteten, erledigen Automaten, Computer, Roboter. Sie stellen Autos, Häuser, Telefone, Kleider und all die Lebensmittel her und vieles anderes mehr, was der Mensch zum Leben braucht. Nur wenige Menschen müssten die Computer betätigen, warten und kontrollieren. Ansonsten hätten alle, die einst in Büros, Lagerräumen, Fabrikhallen etc. gearbeitet haben frei. Armut entstünde nicht. Das, was die Maschinen herstellen, wird verkauft und bringt Geld, das dann gleichmäßig verteilt werden könnte. Das klingt nach einer Utopie. Oder doch nicht? So recht ist es nicht im öffentlichen Bewusstsein, dass sehr viel Arbeit, die bisher von Menschen gemacht wurde, längst von Maschinen übernommen wird. Gewinn wird gemacht, aber nicht verteilt. Das Freisein von Arbeit ist ein Fluch und ein Segen zugleich – je nachdem, wie mit Freiheit umgegangen wird.Es ist herrlich und furchtbar, nicht arbeiten zu müssen. Herrlich ist es, in den Tag hineinzuleben, nur Dinge zu tun, die einem gerade einfallen und unter keinerlei Druck zu stehen. Furchtbar ist es, wenn man sich nicht mehr gebraucht fühlt. Davon können die Menschen berichten, die arbeitslos sind und sich nichts mehr wünschen, als Arbeit zu haben. Was soll man mit der vielen Zeit anfangen? Was ist das für ein scheußliches Gefühl, wenn alle Bewerbungen auf einen Job mehr oder freundlich abgelehnt werden.Keine Arbeit zu haben macht Angst und gibt einem das Gefühl, wertlos zu sein. Zuviel Arbeit erledigen zu müssen, erschöpft und macht krank.

Jeder, der erlebt hat, was es bedeutet, 10-14 Stunden am Tag zu schuften, ohne Wochenende und mit wenig oder gar keinen Ferien, wünscht sich manchmal nichts sehnlicher, als „frei“ zu sein.

Und jeder, der Zuhause sitzt, hunderte von Bewerbungen schreibt und hunderte von Absagen bekommt, wünscht sich nichts sehnlicher, als gebraucht zu werden und Geld zu verdienen.

Dass Arbeit in einem solchen Doppellicht steht, ist ein relativ modernes Problem. Ganz einfach deshalb, weil es noch keine Maschinen gab, die Menschen die Arbeit abgenommen haben. Arbeit in andereren und früheren Kulturen hieß einfach Tätigsein und für seinen Lebenserhalt zu sorgen. Erst heute ist es so, dass Menschen Roboter schaffen, die die menschliche Arbeit in eine ganz andere Richtung lenken, ergänzen und ersetzen. Eine große Chance oder ein großes Problem der Zukunft? Es kommt darauf an. Vor allem darauf, dass die Verantwortlichen und die Gesetzgeber fähig sind, die Folgen dieser Entwicklung richtig einzuschätzen und die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Das heutige Denken ist ausgerichtet auf Maximierung, Perfektionierung und Absicherung. Aber all das entspricht nur begrenzt unseren menschlichen Bedürfnissen. Wer will schon dauernd den Ansprüchen genügen, noch mehr zu leisten, noch besser zu werden und noch mehr gefordert zu sein?

Das Leben ist immer mit Wechsel, Abwechslung und Wandel verbunden. Es gibt ein Auf und Ab, ein Mehr und Weniger, Erfolg und Scheitern usw. Einen Versicherungsschein für Erfolg und Glück und ein Gleichmass gibt es nirgends zu kaufen. So gehört beides zusammen: Ausruhen und sich anstrengen, fleißig sein und faul sein, Fehler machen und perfekt sein, mal an eine Aufgabe langsam herangehen, mal mit aller Kraft puschen. Leben bedeutet Wandlung. Wandlung heißt, die Herausforderungen anzunehmen und Scheitern als wichtige Chance zum Lernen und Wachsen zu sehen. Die Arbeit, das Tätigsein, spielt dabei eine wichtige Rolle – im besten Fall

Was tun, wenn aber die menschliche Arbeit immer mehr ersetzt wird? Nicht nur etwa, wenn die schwere körperliche Arbeit von Maschinen übernommen werden können, sondern aus die menschliche geistige Arbeit ersetzt werden kann durch intelligente Computer und Rechenmaschinen?

Es gibt bis heute keine rechtlichen, wirtschaftlichen und politische Lösungen für das Problem. Weder ist im Visier, wie der Gewinn, der durch die Automatisierung der Arbeit gesellschaftlich verteilt wird; noch ist das Problem gelöst, wie die vielen Aufgaben im Dienstleistungsbereich, im sozialen und kulturellen wie auch wissenschaftlichen Kontext, neu zu definieren und zu finanzieren sind. Es mangelt an Fachkräften in den Krankenhäusern, in den sozialen Einrichtungen, es fehlt Geld für Grundlagenforschung, viele Künstler leben am Rande des Existenzminimums. Zu tun gibt es in unserer Gesellschaft genug – trotz der Automatisierung , Geld ist genug vorhanden. Es fehlt bis jetzt die Phantasie, vernünftige und humane Regelungen für die Finanzierung von neuen Aufgaben- und Berufsfeldern sowie ein Umdenken zum Thema der Wert der menschlichen Arbeit überhaupt.

Jeder Mensch hat genau genommen Freude daran, etwas sinnvolles zu tun und von den Einkünften, die daraus resultieren, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Das Tätigsein hebt das Selbstwertgefühl, es befriedigt, die Ergebnisse machen stolz.

Dabei ist es fast gleich, was ein Mensch arbeitet. Jede Arbeit kann im Prinzip als sinnvoll empfunden werden. Aber wie viele Menschem können ihre Arbeit so empfinden? Wie viel stumpfsinnige, langweilige, ausserordentlich nervenaufreibende Arbeit wird – nicht nur heute, sondern immer schon – den Menschen abverlangt, damit sie ihren Unterhalt sichern können und damit die Gesellschaft funktioniert?

Wir leben in einem System, das nicht von heute auf morgen verändert werden kann. Veränderungsprozesse dauern sehr lange. Sehr viel Einsicht, Weitsicht und Ideenreichtum ist notwendig, um sich von alten, überkommenen Strukturen zu lösen. So sind einerseits solidarisch gedachte neue Konzepte zu entwickeln. Andererseits ist es wichtig, an dem Hier und Jetzt nicht zu verzweifeln.

Ein Weg wäre: Das, was ist, zu akzeptieren und weiterzudenken, was möglich ist.

Ein berühmter Glücksforscher ist durch die ganze Welt gereist und hat Menschen interviewt, wann sie glücklich sind. Die Antwort war durchweg – unabhängig von Land und Kultur: „Ich bin glücklich, wenn ich einer Sache ganz hingegeben bin.“ Dabei spielte es gar keine Rolle, ob ein Tischler hingegeben ist bei der Fertigung eines Tisches, ein Mathematiker sich in eine Formel vertieft, ein Musiker übt, ein Lehrer unterrichtet usw. Wichtig für das Glücksgefühl ist nur die Hingabe. Doch ist das der Normalfall? Viele Menschen hassen ihre Arbeit und täten nichts lieber, als sie zu beenden. Viele haben Angst, ihre Arbeit zu verlieren und damit Status, Geld und Ansehen.

Was also sollen wir in und mit einer Arbeitswelt heute anfangen, die so zwiespältig wirkt?

Die Antwort der Weisen ist: „Es ist gleich, was Du tust, tue es gern.“