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Barbara Strohschein
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Veganer und Vegetarier: Gutmenschen, Besserwisser oder Werte-Pioniere?

16. Juni 2015 · 5 min. Lesezeit · Kategorie: Werte

Veganer und Vegetarier: Gutmenschen, Besserwisser oder Werte-Pioniere?

Philosophische Betrachtungen über das Essen und seine Wirkung.

Bist Du, was Du isst?

Wer bin ich? Mit dieser Frage begann alles Philosophieren. Als Werte-Philosophin weite ich hier einmal die Frage aus:

  • Wer bin ich, wenn ich was esse?
  • Gesundheitsapostel?
  • Genießer und Gourmet?
  • Schlank oder dick?
  • Verantwortungsbewusst oder lustbetont?
  • Geht das alles zusammen?

Wer Lust auf eine Stück Schwarzwälder Kirschtorte oder einen Cheeseburger hat, stellt sich – im Augenblick der Versuchung – solche Fragen nicht. Doch mit Folgen: zu viele Kalorien, womöglich mit Antibiotika behandeltes Fleisch aus Massentierhaltung, chemisch behandelten Teig usw. Dem kurzfristigen Genuss folgt sehr häufig ein schlechtes Gewissen: die eigene Gesundheit und die Umwelt betreffend. Man tut sich selbst nichts Gutes und trägt zur Umweltschädigung durch „falschen“ Konsum bei. Dieses schlechte Gewissen kennen viele Männer und Frauen.

Alles hat seine Folgen

Abgesehen davon steckt hinter diesen Gewissensfragen eine tief verinnerlichte Logik: Alles, was wir herunterschlucken, wirkt sich im Körper aus. Vitamine oder der Mangel daran, Fett, Kohlehydrate, Säuren und Basen, Konservierungsmittel, Antibiotika im Fleisch usw.

Und die Ernährung hat dementsprechend dann auch Einfluss auf die Seele und den Geist? Logisch wäre das. Denn alles, was wir in uns aufnehmen, verschwindet nicht einfach im Nichts, sondern wirkt weiter in den Zellen. Das gilt im übrigen nicht nur in Bezug auf das Essen, sondern genauso in Bezug auf die „Informationen“, die wir unvermeidlich jeden Tag aufnehmen: schlechte und gute Nachrichten, abwertende oder anerkennende Worte, eine vergiftete oder harmonische Atmosphäre und gute und schlechte Stimmungen: Ich werde dick und krank, wenn ich das „Falsche“ esse. Und ich bin frustriert und kann krank werden, wenn ich mich mit schlechten Nachrichten vollstopfe, in Disharmonie lebe und mich negative Gedanken beherrschen.

Gutmenschen oder Besserwisser: Vegan und/oder vegetarisch essen

Veganer und Vegetarier sind – zumindest das Essen betreffend – fein heraus. Sie haben sich entschieden! Sind sie nun „Gutmenschen“ oder „Besserwisser“, wie es ihnen oft vorgehalten wird?

„Gutmenschen“ – weil sie „naiv“ seien und sich einbilden würden, etwas zur ihrer Gesunderhaltung und zur Weltrettung beizutragen? „Besserwisser“, weil sie aus ihrer Haltung eine Ideologie machten und Fleischesser abwerten würden? Das sind die häufigsten kritischen Einwände, die aufgefahren werden, um Veganer und Vegetarier lächerlich zu machen. Warum eigentlich? Genau betrachtet tun Veganer und Vegetarier doch etwas, was sinnvoll und vernünftig ist: Sie ernähren sich gesund und handeln umweltbewusst.

So etwas kann verärgern. Es könnte also durchaus sein, dass ihre Kritiker diese Haltung als eigentlich „richtig“ ansehen und deshalb abwehren müssen. Denn wer will schon daran erinnert werden, ungesund und verantwortungslos zu leben? In einer Zeit wie heute, in der noch nie soviel wie zuvor über das richtige Essen und Konsumieren diskutiert wurde. Es ist in vielen Kreisen (auch bei Nicht-Veganern und Nicht-Vegetariern) mittlerweile verpönt, ungesund zu essen. Und trotzdem tut man es natürlich. Aus Gewohnheit, aus Lust und Gier, weil man nicht nein sagen kann usw.

Die Veganer und die Vegetarier halten dagegen – unfreiwillig oder nicht – den „Fleischessern“ den Spiegel vor. Sie forcieren – nicht einmal unbedingt absichtlich -, dass das Essen mittlerweile zu einem moralischen Problem in unserer Gesellschaft geworden ist. Und „Moralisten“ mag man trotzdem eigentlich nicht – ob sie nun recht haben oder nicht.

Werte-Pioniere der Selbstbestimmung

Sind Veganer und Vegetarier unter diesem Gesichtspunkt nicht eigentlich Werte-Pioniere? Ich kann es durchaus so sehen. Denn: Veganer und Vegetarier legen darauf Wert:

  1. Sich selbst etwas wert zu sein, indem sie sich bewusst und gesund ernähren und damit zum eigenen Wohlbefinden beitragen.
  2. Tiere als lebendige Wesen wertzuschätzen und sie nicht als „Ware“ zu konsumieren
  3. Ihr Selbstwertgefühl durch konsequentes Handeln zu stärken.
  4. Fähig zu sein, den „Versuchungen“ zu widerstehen.

Diese Werte-Orientierungen sind verknüpft mit Erkenntnissen und Entscheidungen, die unter anderem auch einen selbstbestimmten Menschen ausmachen.

Selbstbestimmung als Selbstüberwindung: Anstoß für einen politischen Wandel?

Selbstbestimmung geht immer mit Selbstüberwindung einher. Niemand kommt als Veganer oder Vegetarier auf die Welt. In den meisten Fällen stammen Veganer und Vegetarier aus Familien, in denen konventionell gegessen wurde: mit Sonntagsbraten, Currywurst und Wurstschnitten. Davon muss man erst einmal durch Selbstüberwindung wegkommen. Das heißt, man muss sich von alten Gewohnheiten trennen und konsequent handeln.

Ich kenne Veganer und Vegetarier, die sich gar nicht mehr überwinden müssen, kein Wiener Schnitzel zu essen. Ihre Entscheidung, kein Fleisch zu essen, ist ihnen quasi in Fleisch und Blut übergegangen. Der eigensinnige Philosoph Arthur Schopenhauer hat energisch dafür plädiert, die eigenen Lüste zu beherrschen, um unabhängig davon zu werden. Das „Fressen und Gefressen“ werden allerdings hielt er für unausweichlich.

Allerdings gehören zur Selbstbestimmung und Selbstüberwindung á la Schopenhauer auch noch andere Werte, wenn es nicht nur um die eigene Person gehen soll: Respekt vor anderen, Toleranz, soziale Verantwortung und Gelassenheit.

Wenn diese Werthaltungen immer mehr Allgemeingut werden würden, hätte das sicher politische Folgen.