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Barbara Strohschein
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Geist und Geld - ein Widerspruch?

Das schmutzige Geld und der reine Geist?

11. August 2017 · 7 min. Lesezeit · Kategorie: Werte

Geist und Geld - ein Widerspruch?

Mehr Menschen als man denkt sind mit der Einstellung aufgewachsen, Geld und das Streben nach Geld sei verwerflich. Nicht nur Sprüche wie „Geld stinkt“ oder „Geld verdirbt den Charakter“ kursieren in vielen Familien. Diese Ablehnung steht in Kontrast zu der unbestrittenen Tatsache, dass Geld nicht nur die Welt regiert, sondern auch die Herzen und Köpfe. Geld macht Macht, macht Angst, erzeugt Kriege, Streit und Gier. Genauer betrachtet ist jedoch nicht das Geld die Ursache dafür, sondern die Menschen selbst.

Geld ist an sich nicht mehr als Schein, Metall, Papier, denen Bedeutung und Bewertung zugemessen werden. Es ist der Mensch mit seinen Licht- und Schattenseiten, der Gefahr läuft, Geld als Ding an sich zum Maßstab aller Dinge zu machen. Ohne die menschliche Fähigkeit, sich etwas auszudenken, um sich das Leben zu „erleichtern“, würde Geld überhaupt nicht existieren. Statt Waren zum Tausch hin- und her zu tragen, wurde Geld in einer „Stellvertreterfunktion“ erfunden. Doch Geld hat sich mittlerweile als Repräsentanz realer Werte abgekoppelt und ist zum „Ding an sich“ geworden.
Geld ist ein menschliche Erfindung. Und menschliche Erfindungen kommen zustande, weil Menschen Geist haben: die Fähigkeit, sich etwas auszudenken, was noch nicht existiert.

Das materielle Geld entspringt, so paradox es klingen mag, einer geistigen Quelle. Der Geist ist die Quelle der Ideen und damit auch von Erfindungen. „Geist“ kann man schöpferische Intelligenz verstehen, an der der Mensch Anteil hat. Ohne Geist keine Ideen, ohne Ideen kein Erfindungsreichtum, ohne Erfindungsreichtum kein Geld. Aus der „geistigen“ Quelle ist jedoch vielmehr als nur die Erfindung des Geldes entstanden. Die reale Welt, die vom Menschen geschaffen wurde, hat dementsprechend geistige Ursprünge. So wie geniale Werke der Wissenschaft, Kunst, Literatur, Kultur etc. aus geistigen Quellen stammen.
Und es ist bemerkenswert, dass sehr viele, großartige geistige Leistungen in der Menschheitsgeschichte überhaupt nicht mit Geld bezahlt worden sind und werden. Und damit tut sich ein weiterer Widerspruch auf: Geld wurde durch einen geistigen Akt „erfunden“, aber mit Geld wird Geist nicht honoriert. Aber dafür wird sehr viel Geld für Geistloses ausgegeben. Warum eigentlich?

Über die Vernunft und Unvernunft im Umgang mit Geld

Wie wir in der Realität sozialer Institutionen immer wieder feststellen können: Erfindungsreichtum bedeutet noch lange nicht „Vernunft“. Die Menschheitsgeschichte zeigt es, dass Menschen in allen Zeitaltern keineswegs nur vernünftig mit ihren Erfindungen umgehen. Jeder Leserin, jedem Leser fallen sicher mehrere Beispiele dafür ein.
Doch was hieße es denn „vernünftig“ mit Geld umgehen? Es könnte heißen, Geld lediglich als eine Energie zu betrachten und zu nutzen. Als Mittel zum Zweck und nicht als Ding an sich. Verbunden mit der simplen Frage: Geld wozu? Diese Sinn- und Zielfrage könnte auf einen Weg hinweisen, zeigen, auf dem sich - mal gewagt und theoretisch gedacht - verhindern ließe, dass Geld sich „verselbständigt“ und einen humanen Zweck erfüllt, ohne zum Selbstzweck zu werden. Mit Geld kann man Frieden als auch Krieg stiften. Mit Geld kann man helfen, Gutes tun, die Umsetzung von Ideen finanzieren, als auch Katastrophen hervorrufen, Crashs hervorrufen und Krankheiten erzeugen. Die Probleme im Umgang mit Geld rühren daher, dass die übergeordnete und vernünftige Frage, ‚wozu Geld?‘, in konkreten Fällen sehr oft gar nicht oder viel zu selten gestellt wird. Der Trieb vieler Menschen, Geld anzuhäufen und zu horten, es zu verprassen oder aus dem Fenster zu werfen, scheint viel stärker zu wirken als der Drang zur Vernunft, mit Geld sinnvoll umzugehen. Geld wird damit zum Schauplatz des Unbewussten.

Welche Wirkung das Geld hat, hängt dementsprechend von den Zielen ab, die - bewusst oder unbewusst - verfolgt werden. Geld scheint mit den sehr viel mehr mit den destruktiven Trieben zu korrelieren als mit Bewusstsein und Intelligenz. Denn der kluge Umgang mit Geld setzt zuallererst Bewusstwerdung, Bewusstheit, Bewusstsein und dann Meisterschaft und Klugheit voraus, sowie Wertmaßstäbe zur Orientierung.
Der Zauberlehrling, der die Geister rief, ohne sie zu beherrschen, schafft Chaos, bis der Meister kommt und wieder die Ordnung herstellt. Nur - wer ist in diesem Geldsystem - heute oder seit jeher - der „Meister“? Ich bezweifle, dass es die Philosophen sind, die sich heute wie früher weit mehr mit Geist als mit Geld befassen. Und ich befürchte, die Weisen, welcher Provenienz auch immer, werden - heute wie früher - nicht angehört oder verspottet. Die Lust am Wahnsinn ist stärker als die Lust am Sinn?

Wie Systeme herrschen

Gibt es heute einen Grund, zu hoffen, dass nicht nur das Geld allein die Welt regiert? Es sieht nicht danach aus. „Die heutige kapitalistische Wirtschaftsordnung ist ein ungeheurer Kosmos, in den der Einzelne hineingeboren wird und der für ihn, wenigstens als Einzelnen als faktisch unabänderliches Gehäuse, in dem er zu leben hat, gegeben ist.“ Mit diesem Satz meint der berühmte Soziologe Max Weber jeden Menschen. Keiner kann diesem System und seinen Institutionen entrinnen, gleich, ob reich oder arm. Diese Unabänderlichkeit - Max Weber ist hier leider nicht zu widersprechen -, ist eine menschengemachte Tatsache, über die mindestens so viel spekuliert wie über das Thema Liebe.

Nun fragt sich, warum Menschen sich Systeme schaffen, die von sich selbst ausbreiten und sich mäandernd in allen Lebens- und Gefühlsbereiche eine Macht verschafft, der niemand gewachsen ist und die niemand letztlich lenken kann. Dieser Macht gewachsen zu sein und sie lenken zu können, hieße schließlich, die Geldflüsse so steuern, dass es nicht zur sozialen Spaltungen zwischen Arm und Reich, zu Aktienabstürzen und Kriegen kommt. Die Vertreter der Großfinanz sind trotz ihrer vermeintlichen Macht auch hier hilflos, wie es in den bitteren Zeiten der Inflationen und den heutigen Gefährdungen des Weltmarktes unübersehbar ist.

Die berühmte Lenin’sche Frage liegt in Anbetracht dieser Fakten dauernd und mit mangelhaften Antworten in der Luft: Was tun - damit der ganze Laden nicht wieder mal zusammenkracht und Milliarden Menschen darunter leiden?

Wer wirkt und wer entscheidet eigentlich in solchen sich wiederholenden Fällen? Es ist weit verbreitet, zu vergessen, dass das Geld nicht vom Himmel fällt oder vom „Teufel“ gemacht ist, der Teufel als Symbol für die „bösen Kapitalisten“, für die die Vernunft keine Rolle spielt. Damit meine ich keine kalte, von Herz und Kontext abgekoppelte Vernunft. Ich meine eine Vernunft, die auf Gewissen basiert, die sich an humanen Maßstäben orientiert, mit Sachkenntnis die Widersprüchlichkeit des Menschen zur Kenntnis nimmt. Und natürlich die Fähigkeit, vorauszuschauen und die Folgen des Handeln vorher und nicht hinterher reflektieren zu können.
Menschen haben, wie schon gesagt, vor Urzeiten das Geld erfunden Mit ihrem Geist, ihrem Ideenreichtum. Und nun lenkt das Geld den Menschen, wie ein Mensch ein Auto lenkt? Und der Weltgeist oder der Schöpfergeist wirkt, ohne dass Mensch vernünftig lenken und denken?

Die Macht des Geldes

Wenn Geld das Ergebnis von Geist ist und Menschen durch ihren Geist Geld erfunden haben, warum sind sie dann nicht in der Lage, Geld und sich selbst im Umgang mit Geld zu lenken, ohne dass es zu Katastrophen kommt? Eine vielleicht naiv klingende Frage, die aber meiner Ansicht nach naheliegend ist. Der heutige Umgang mit Kapital ist so unsinnig und menschenfeindlich, ebenso wie die heutige Verteilung von Geld so hanebüchen ungerecht ist. Man könnte über das Ausbleiben einer weltweiten Revolution der Armen ins Grübeln kommen. Nicht etwa, dass ich einen blutigen Kampf um Geld für zweckmäßig hielte. Ich wundere mich jedoch immer wieder darüber, was viele Menschen sich alles gefallen lassen, durch Abzocke, Ausbeutung und unverschämter Nutznießerei weniger. Man könnte ins Staunen kommt, dass das Geldsystem sich am Rand des Wahnsinns durchaus selbst erhält. Die Politiker und die zu Kartellparteien verkommenen Volksvertreter haben auf diese Dynamik wenig Einfluss. Zudem haben sie primär nicht die gerechte Verteilung des Kapitals im Sinn, sondern die Sicherung ihrer Pfründe und den Schulterschluss mit Finanzmächtigen. Egal, ob von links oder rechts. Das System schluckt alle.
Und ich werde den Eindruck nicht los, dass sich der Grund für diese himmelschreiende Ungerechtigkeit auf die menschlichen Schattenseiten zurückführen läßt: Auf Gier, Dummheit, Egoismus und die Unfähigkeit, die Folgen des eigenen Handelns auf selbstschädigende Konsequenzen hin zu reflektieren. Dazu gesellt sich in unheilvoller Allianz von Geistlosigkeit und Ohnmacht, eine weitverbreitete Resignation und Ahnungslosigkeit. Und dieses wiederum ist einem weit verbreiteten Erziehungsziel bis heute geschuldet, das besagt: „Halt den Mund und sieh zu, wie Du selbst am besten durchkommst.“

Oswald Spengler hat Individualismus, Egoismus und mangelnden Zusammenhalt als Grund für den „Untergang des Abendlandes“ beschrieben. Wobei er erklärte, dass es ihm nicht um Untergang im Sinne von Katastrophe, sondern um „Umwandlung“ ging. Man könnte beschwichtigend ergänzen, dass es immerhin Fortschritte gibt: Zu früheren Zeiten wurden - zumindest in Europa - weit mehr Menschen als heute für den Reichtum Einzelner ausgebeutet und hatten keinerlei Schutz. Bis immerhin Sicherheitssysteme wie nachts beleuchtete Städte, Sozial- und Krankenversicherungen, Polizei zum Bürgerschutz geschaffen wurden als ein Ausdruck dieses „Fortschritts“, der auch ein Ergebnis des menschlichen Erfindergeistes ist.

Jedoch weltweit gesehen, ist es jedoch heute nicht viel anders als früher. Wie viele Männer, Frauen und Kinder werden ausgenutzt, leben unterhalb der notwendigen Einkommensgrenze und sind schutzlos einem Kapitalsystem ausgeliefert.

Was tun?

Es ist weit weniger anstrengend, sich von dem Brecht’schen Satz, „die Verhältnisse, die sind halt so“ leiten zu lassen, anstatt sich auf den Weg zu machen, sie zu verändern. Aber eine Frage bleibt: Wer ist denn das Subjekt der Veränderung? Es ist ja keineswegs so, dass nicht immer wieder neu versucht wurde, Geld durch Geist lenken zu wollen. Z.B.: Silvio Gesell und viele anderen haben neue Geldmodelle entwickelt. Die Schöpfer und Planer des Grundeinkommens sind am Werk. Marx und Engels haben zwar die Strukturdynamik des Kapitals analysiert und daraus neue Gesellschaftsformen entworfen, die sich aber in der Realität als unhaltbar erweisen und korrodiert sind. Angesichts dieser bislang erfolglosen Versuche, Geld lenken, liegt die Frage nahe, wo der Turningpoint für das Umdenken und Umlenken zu finden ist. Er liegt meiner Ansicht nach in einem „Bereich“, der in den bisherigen Konzepten zuwenig oder gar nicht in Augenschein genommen werden: Im Menschen selbst. Auf dem Gebiet der Selbsterkenntnis des Menschen stehen wir immer noch am Anfang. Insofern ginge nicht mehr um noch mehr neue Konzepte, wie man am besten und gerechtesten das Geld verteilt. Sondern es ginge um Bewusstwerdung. Um Fragen wie: Was sind die Gründe für Gier? Gier als eine Art Krankheit, die nicht nicht nur den Gierigen unglücklich macht, sondern alle die, die von den Auswirkungen betroffen sind? Gier als ein tief gehender Ausdruck für Mangelempfinden. Was aber fehlt, dass Gier solch eine Macht hat? Wie könnte das Mangelempfindungen anders als durch Geldanhäufung befriedigt werden? Wie können Menschen lernen, Verantwortung für sich, die Gesellschaft und die Natur im Sinne der Selbsterhaltung übernehmen? Welche Rolle spielt Bildung und Herzensbildung dabei? Warum fehlt diese weltweit? Was kann man tun, damit Menschen in Familie, Schule und Gesellschaft lernen können mit Geist und Geld besser als bisher umzugehen? Durch Denken und Lenken - zum Beispiel.

Denken hieße, sich selbst ins Visier zu nehmen, sich selbst in den eigenen Widersprüchen zu erkennen. Denken lernen, wäre ein spannendes Schulfach, ein Ziel in der Erziehung, ein Motto für Unternehmen. Das könnte bedeuten, nicht blind und triebgesteuert im Geldsystem - mit Kopf unter Wasser - herum zu schwimmen, sondern mit Kopf überm Wasser Richtung Ufer zu steuern. An das Ufer, an dem vielleicht neues Land in Sicht ist. Lenken lernen hieße, die Zweck-Mittel-Relation zu reflektieren: Geld von wem für was eigentlich? Für welche Produkte und welche Leistungen? Für welche Zwecke wird Geld eingesetzt - nicht nur in einem ökonomischen und politischen Kontext, sondern auch in einem seelischen?
Wie so oft ist das Nachdenken über solche Frage natürlich nur ein sehr bescheidener Weg, der in der Regel zunächst einmal nicht sehr weit führt. Aber ohne Nach-, Hinein- und Vordenken sind Probleme überhaupt nicht zu lösen.

Geld kann ein Heilmittel sein - gegen Angst, gegen Krankheit, gegen Ungerechtigkeit. Auch wenn Geld nicht allein glücklich macht - Geldmangel macht ebenso wenig froh.
Fragen Sie sich einmal: Wie würde es sich anfühlen, wenn Geld einfach immer aus einer unerschöpflichen Quelle flösse und sich niemand mehr anstrengen muss, um zu leben?