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Barbara Strohschein
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Erkenne Dich selbst

Die griechischen Mythen als Spiegel der Psyche

23. August 2019 · 9 min. Lesezeit · Kategorie: Sinn, Werte

Erkenne Dich selbst

Jede gute Geschichte lässt die Leser ausrufen: Da ist ja auch von mir die Rede!  

Woher weiß der Autor das von mir? Doch gilt das auch für die Sagenwelt der griechischen Götter? Kann sich ein moderner Mensch mit handy und Computer, Fitness und Stress in Zeus und Hera wiederfinden? Die griechischen Mythen sind nicht vom Himmel gefallen, und wer sie erdacht hat, weiß keiner. Als überlieferte Urbilder sind sie Schauplatz des seelischen Geschehens, das sich in der wilden Götterwelt abspielt. 

Die Geschichten fesseln, weil sich in ihnen tiefe seelische überzeitliche Muster erkennen und wiederfinden lassen. Und wer mit der Lampe der Neugier einen kurzen Ausflug in die Götterwelt macht, kann drei ziemlich finstere Dramen beleuchten:

 1. Der Kampf zwischen den Generationen: Uranos, Kronos, Zeus und  Ödipus

 2. Der Absturz des sich anmaßenden Menschen: Prometheus

3. Das Scheitern des auf sich selbstbezogenen Menschen: Narziss.

Der Generationskampf: Der Vater vernichtet die Kinder, die Kinder besiegen den Vater: Uranos, Kronos, Zeus

Gaia, die Mutter Erde, entsprang aus dem Chaos. Kaum war das geschehen, gebar sie ihren Sohn Uranos, den Himmel. Und da die Götter kein Inzestverbot kannten, paarte sie sich mit ihm und gebar die Titanen. Doch Uranos war eifersüchtig auf die Kinder. Er stieß fast alle seine Nachkommen wieder in den Schoß der Mutter. Nur sein Sohn Kronos und seine Tochter Rhea entgingen diesen Vernichtungswünschen. 

Als Kronos erwachsen war, entmannte und besiegte er den Vater Uranus. Nun hatte er die Macht! Er heiratete seine Schwester Rhea. Doch kurz nach seiner Hochzeit wurde ihm prophezeit, dass auch er von seinen Kindern gestürzt werden würde. Alle Kinder, die Rhea nun gebar, entriss Kronos ihr und verschlang sie. Das gefiel Rhea nun überhaupt nicht. Sie entschied sich, Kronos zu überlisten. Das Baby namens Zeus brachte sie heimlich zu ihrer Mutter. Kronos hingegen wurde ein Stein mit Windeln hingehalten, den er sofort verschlang. 

Der erneute Kampf zwischen Sohn und Vater drohte. Als Zeus im Mannesalter war, heiratete er die kluge Titanin Metis. Sie machte sich mit ihm zusammen Gedanken, wie Kronos zu vernichten wäre: Am besten dadurch, dass er alle verschlungenen Kinder wieder ausspie und die gesamte Nachkommenschaft ihn dann entmachten würde. So gab Metis dem Kronos ein wohlschmeckendes Brechmittel. Und siehe da: Kronos spuckte alle Kinder wieder aus. (Zuallererst den Stein, der ihm anstelle von Zeus gegeben war. Dieser Stein wurde in Delphi aufgestellt und als Nabel der Welt bezeichnet.) Kronos wurde prompt von seinen Kindern abgesetzt und in den Abgrund des Tartaros gestürzt. 

Nun war Zeus der Alleinherrscher, und seine Launen und Liebschaften hielten die Götter in Atem. Aber auch ihm wurde das gleiche Schicksal wie seinen Vorfahren vorhergesagt. Als seine Frau zum ersten Mal schwanger wurde, verschlang er sie sofort, mitsamt ihrem Kind im Leib. Und eines Tages entsprang aus seinem Kopf eine erwachsene Frau: seine Tochter Pallas Athene, die schöne und kluge Göttin des Kriegshandwerks. Zeus lag nichts daran, sie zu beseitigen. 

Warum er und wie zur Besinnung gekommen war und seine Nachfahren leben ließ, bleibt offen.  

Ödipus

Neu an Ödipus' Geschichte ist, daß sowohl Ödipus Vater, König Laios, als auch Ödipus selbst alles taten, um den Prophezeiungen zu entkommen und um nicht schuldig zu werden - im Gegensatz zu den Göttern, denen die Schuldfrage nie in den Sinn gekommen war. 

König Laios aus Theben lebte einst am Hof des Pelops und verliebte sich in dessen schönen Sohn Chrysippos. Er entführte und verführte ihn. Damit lud er einen Fluch auf sich! Nach diesem für ihn sehr ungünstig ausgehenden Ausflug kehrte er nach Theben zurück und heiratete Jokaste. Als sie schwanger wurde, weissagte das Orakel: Der Sohn, den Jokaste bald gebären würde, wird seinen Vater umbringen. Laios gab einem Hirten den Auftrag, dem Baby die Füße zu durchbohren und es auszusetzen, in der Hoffnung, dass es diesen „freundlichen“ Akt nicht überleben würde. Der Hirte aber hatte Mitleid und brachte das Kind heimlich zum kinderlosen König Polybos und der Königin Merope. Sie nahmen den Knaben auf und zogen ihn als ihren eignen Sohn groß. 

Als Ödipus („der mit dem Schwellfuß“) erwachsen geworden war, hörte er es munkeln, dass irgendetwas mit seiner Herkunft nicht in Ordnung sei. Ödipus war irritiert und machte sich auf den Weg zum Orakel in Delphi. Zu seinem Bestürzen erfuhr er, daß er seinen Vater töten und seine Mutter heiraten würde. Ödipus erschrak entsetzlich. Und da er immer noch annahm, Polybos und Merope wären seine Eltern, kehrte er nicht zu ihnen zurück. 

Auf dem Rückweg von Delphi begegnete ihm an einer engen Kreuzung ein Fremder. Der Fremde forderte Ödipus auf, ihm gefälligst Platz zu machen. Doch Ödipus weigerte sich. Der Fremde versetzte Ödipus einen Hieb. Ödipus war so erzürnt, daß er den Fremden im Zorn erschlug. Dann setzte er seinen Weg nach Theben fort. 

Als er in Theben ankam, waren alle Bewohner in Aufruhr. Ihr König Laois war auf dem Weg nach Delphi ermordet worden. Er hatte die Absicht gehabt, das Orakel zu befragen, wie er dem unheilvollen Wirken der Sphinx, die viel Unglück über die Stadt gebracht hatte, ein Ende setzen könnte. Jeder Einwohner, der ihr Rätsel nicht lösen konnte, wurde von ihr verschlungen.

Die tödliche Frage war: „Was läuft am Morgen auf vier Beinen; am Mittag auf zwei Beinen und am Abend auf dreien?“

Nach Laios Tod befürchteten nun alle Bewohner Thebens, dass das Treiben der Sphinx weitergehen würde. Kreon, Jokastes Bruder, entschied sich, dem Mann, der eine Antwort auf diese Frage finden würde, zu belohnen: er würde die Königin Jokaste heiraten dürfen und die Thronfolge antreten. Ödipus hörte davon und machte sich auf den Weg zur Sphinx. Er beantwortete die Frage einfach und richtig: Es ist der Mensch. 

Zum König von Theben gekrönt, heiratete Ödipus Jokaste, seine Mutter. 

Jokaste und Ödipus regierten friedlich das Land, bis eines Tages Plagen herein brachen. Kreon ging zum Orakel von Delphi und erfuhr, daß die Plage sofort aufhören würde, wenn der Mörder von König Laios gefunden und vertrieben wäre. Nach vielen Umwegen erfuhr Ödipus, dass er der Täter war und zudem noch seine eigne Mutter geheiratet hatte. In seiner Verzweiflung über seine Schuld blendete er sich und ging in die Verbannung. 

Im Gegensatz zu Uranos, Kronos und Zeus wusste Ödipus von den Tabus und seiner Schuld - und ist an seinem Bewusstsein darüber zerbrochen. 

Bereits mit seiner Geburt hatte sein Drama begonnen. Er wird zur Aufhebung eines Fluches instrumentalisiert und entrinnt auch nicht dem eigenen Fluch.

In diesen Generationskämpfen wird sichtbar, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kindern keineswegs selbstverständlich ein friedliches Unterfangen ist. Wenn wir einen Blick in die Geschichte der Kindheit werfen, wird auf erschreckende Weise deutlich, dass in der konkreten historischen Realität ein ähnliches Vernichtungsmuster zwischen den Generationen zutage tritt. 

Da viele Menschen dazu neigen, ihre Kindheit zu idealisieren, um die als Kind erlittenen Schmerzen, ohne die kaum ein Kind groß wird, zu vergessen, sind diese historischen Tatsachen weitgehend nicht bekannt. 

Die Psychohistoriker wie Lloyd deMause und Philipp Aries haben es in ihren Untersuchungen gezeigt: In den letzten zweitausend Jahren hat es bis zum 18./19. Jahrhundert keine Epoche in Europa gegeben, in der die Eltern durchgängig und selbstverständlich sorgsam und liebevoll mit ihren Kindern umgegangen sind. Die Kinder waren jahrhundertelang von niemandem konkret und ideell geschützt. Bei den Römern konnten sie ausgesetzt und getötet werden, ohne daß dies rechtlich geahndet wurde. Im Mittelalter, in der Renaissancezeit bis zur Zeit der Aufklärungen gab es durch Kindbettsterben und die hohe Säuglingssterblichkeit keine wirklich frühe emotionale Beziehung zwischen den Eltern und ihren Babies. Man wusste ja nicht, ob sie überhaupt überleben und schützte sich so vor Verlustgefühlen. Die Babies wurden Ammen oder dem Dienstpersonal übergeben oder, wie bei den arbeitenden Bauern, sich selbst überlassen. Es gab über Jahrhunderte hinweg gar kein Bewusstsein darüber, dass Kinder nicht so sind wie Erwachsene. Die Familienideale, die heute immer noch in den Köpfen stecken, sind geprägt durch die Aufklärung und dem beginnenden Psychologismus – sind also neueren Datums. 

Erst im 19. Jahrhundert tauchte zum ersten Mal in der Geschichte ein Bewusstsein davon auf, daß Kinder schutzbedürftige Wesen sind, die Liebe, Zuneigung, Fürsorge brauchen. Lloyd deMause schreibt sinngemäß in seinem Buch "Hört Ihr die Kinder weinen": die Welt wäre nicht so voller Kriege gewesen, wären die Kinder anders großgeworden. Mangelnde Liebe erzeugt Mangelempfinden, mangelnder Schutz erzeugt Angst und Angst erzeugt Aggression.

Natürlich wirken bis heute idealtypische Vorstellungen von Erziehung. Und viele Eltern sind fest davon überzeugt, dass sie ihre Kinder lieben. Doch strukturell wiederholt sich bis heute ein Teufelskreis: Ein Kind wird in eine Familie geboren, in der unwissend die Dramen der Vorfahren fortgesetzt werden. Die Fehler und Verletzungen der Ahnen werden in den Familien weitergegeben - wie ein Fluch. Und das Kind, am Anfang noch Opfer, wird wiederum als Erwachsener zum Täter. Es sei denn, einer der Beteiligten „erwacht“, unternimmt etwas, um den Teufelskreis zu durchbrechen: durch Bewusstwerdung, durch Therapie, durch Selbsterkenntnis – wie einst durch die Befragung des Orakels in Delphi.

 

Der Absturz des sich anmaßenden Menschen: Wer darf was mit welchem Recht erfinden?Prometheus 

Es liegt weit zurück, als der Titan Prometheus dem Gottvater Zeus in die Quere kam. Da auf der Erde noch keine Menschen lebten, fiel es dem erfinderischen Prometheus ein, Menschen zu erschaffen. Er bildete Figuren aus Ton, und die Tochter von Zeus, die Göttin Pallas Athene hauchte ihnen Atem ein. Prometheus führte nun die einzelnen Exemplare dem Zeus vor. Dem Zeus gefielen keineswegs alle Gestalten. Er sah schnell, wie wenig tauglich und gebrechlich dieses Menschengeschlecht war und wollte es am liebsten vernichten. Prometheus jedoch gelang es, sich gegen Zeus durchzusetzen und erlaubte sich, wieder gegen Zeus Willen, den Menschen Feuer zu geben. Wie er dafür bestraft wurde, ist bekannt. Prometheus hatte sich nicht mit dem zufrieden gegeben, was die Natur und die Götter geschaffen hatten. Und diese Eigenmächtigkeit passte dem Gottvater überhaupt nicht. Prometheus war ein Vorfahre der Forscher und Erfinder, die etwas herstellen, was noch besser sein sollte als das, was die Natur zu bieten hat. 

Dieser Erfindungswille ist doppelgesichtig. So sehr er die Eigenständigkeit des Menschen dokumentiert und Fortschritt generiert, so gefährlich - und gegen die Natur gerichtet - können seine Auswirkungen sein. Es ist dabei oft im Moment gar nicht entscheidend, was wissenschaftlich de facto möglich ist, sondern vielmehr das, was als Vision unausgesprochen heute vorherrscht: nicht der Mensch, sondern der perfekte Mensch. Schön, ohne Krankheit, alterslos und immer funktionierend. Nicht nur die Genforscher, sondern die Chirurgen und viele andere arbeiten daran, die menschlichen Makel zu eliminieren. 

Die Schöpfung wird nicht dem Schöpfer überlassen, der Mensch will sich einmischen und „alles verbessern“, sich von der göttlichen Macht emanzipieren. Diese Befreiung erweist sich als zweischneidig. Sie fordert dem Menschen vieles ab, wenn er die negativen Wirkungen vermeiden will. Doch oft denkt der Erfinder nicht von selbst an die Folgen seiner Erfindungen. Dafür gibt es - vor allem aus den Naturwissenschaften-  eine ganze Reihe von Beispielen. Ethik und Wissen, Vorausdenken der Folgen, wären eigentlich die Aufgaben, die mit Erfindungen verbunden sein müssten. Doch Eitelkeit, Neugier und Machtwille durchkreuzen diese hehren Einsichten immer wieder und überall. Um den Mut, das Unmögliche zu erfinden, brauchen wir uns wohl keine Gedanken zu machen! Es scheint in der Natur des Menschen zu liegen, im positiven wie im negativen, sich das Unmögliche vorzustellen und in die Realität - koste es, was es wolle - umzusetzen: von der Atombombe, Experimenten in der Genforschung bis hin zu einer total durchdigitalisierten Welt, in der jeder Mensch mit Chips im Körper herum läuft und über hundert Jahre alt wird - wie der Vordenker aus Silicon Valley, Ray Kurzweil es visionierte. 

Das Scheitern des auf sich selbstbezogenen Menschen: Was droht dem, der nur sich selbst bestaunt? Narziss.

Was soll daran nun verwerflich sein, dass Narziss nichts weiter tat, als sich mit sich zu befassen? Zum Entzücken seiner Mutter, der Nymphe Leiriope, war er ein wunderschöner Knabe. Besorgt wie stolz fragte sie den Seher Teiresias, ob denn ihr Sohn ein langes Leben haben werde. Und der Seher antwortete: Ja - wenn er sich niemals selber erkennt. Keiner verstand diesen Satz, auch seine Mutter nicht. Teiresias hatte, etwas verklausuliert, ausdrücken wollen: er wird dann lange leben, wenn er nicht nur sich selbst ansieht.  

Narziss war so schön, dass ihn viele, Jungen wie Mädchen, begehrten. Doch er verschmähte alle, die sich ihm näherten. Ein abgelehnter Liebhaber bekam die Wut und betete zur Nemesis, Narziss zu bestrafen. Nemesis erhörte das Gebet. Sie bewirkte, dass Narziss wie gebannt vor einem Teich auf dem Berg Helikon saß und sein Antlitz im Spiegel des Wassers bestaunte, Tag für Tag, Jahr für Jahr. So schwand er, so recht beziehungslos in der Selbstbetrachtung, dahin und - starb. 

Narziss hat viele Gesichter: er ist der selbstverliebte Forscher, den nur noch seine Ideen interessieren. Er ist der, der sich nur um sich selbst dreht, nur mit sich befasst ist und andere Menschen mit ihren Interessen und Bedürfnissen nicht wahrnimmt. Narziss ist der Typ von Mensch, der sich jeden Tag um sein Aussehen, um seine Bedürfnisse, um sich selbst kümmert und kaum noch etwas anderes im Kopf hat. Dass ein Mensch ein Beziehungswesen ist, ohne eine soziale Gemeinschaft nicht existieren kann, ist dem Narziss nicht bewusst. Er ist der Antityp des sozialen, des engagierten, des neugierigen und tatkräftigen Menschen, der Welt gestalten will. 

Ein solcher Mensch verliert die anderen Menschen und die Welt aus den Augen. Nicht aus Absicht, sondern aus einer seelischen Struktur, die es ihm nicht erlaubt, sich als Subjekt und die Welt und die anderen Menschen als Objekt, als Gegenüber zu erfahren. Er leugnet die Tatsache, dass er ein Teil eines Ganzen ist, von dem er sich nicht ungestraft abkoppeln kann. So stirbt Narziss nicht wirklich, doch seine Seele stirbt ab. Der innere Reichtum, der durch Beziehung zur Welt und anderen Menschen entsteht, schrumpft zusammen auf die reine Selbstbezogenheit, die niemals die Befriedigung in sich finden kann. 

Wie Ödipus hat Narziss der modernen Psychologie Pate gestanden. Die Therapeuten können ein Lied davon singen, dass Narzissmus als Volkskrankheit nicht nur die in sich selbstverliebten Menschen ergreift, sondern jeden Menschen, der Selbstwertprobleme hat und diese  unter anderem durch Selbstzweifel und Kränkungen anderer ausagiert.  Das sind Menschen, die von ihren Eltern nicht  lernen und erleben durfte, wie glückserfüllend es ist, durch der Liebe zu sich fähig zu sein, andere Menschen zu lieben. 

Die Mythen machen etwas sichtbar und verbergen den Ausweg. 

Sie berichten vom Menschsein und dem Leben auf der Erde, das voller ungelöster Widersprüche ist. Sie lehren keine Moral und berichten nüchtern von den Strafen, die folgen, wenn das göttliche Gesetz überschritten wird.So gelesen sind die Mythen Wiedererkennungsbilder, aus denen sich jeder seine Moral zimmern kann. Bleibt die Menschheit nun für immer befangen in diesen Grundmustern? Wo, wäre nun zu fragen, kommt der menschliche und nicht nur technische Fortschritt her?

Zwei Fortschritte sind in der griechischen Mythologie selbst zu verzeichnen: von einem sprach ich schon: Im Gegensatz zu den Göttern weiß Ödipus von seiner Tabuüberschreitung und fühlt Schuld. Der listige Prometheus setzt sich gegen Zeus durch und erschafft etwas Eigenes. 

Und vielleicht wacht Narziss heute auf und begreift, dass er sich nicht nur selbst bestaunen darf, sondern tatkräftig und verantwortlich in der Welt handelt. 

Die Geschichte schreibt auf die alten Tafeln der Mythen neue Geschichten. Sie beschreibt möglicherweise damit auch ein evolutionäres Fortschreiten des menschlichen Geistes, der anfängt, den Menschen zu begreifen. Vielleicht ist es an der Zeit, sich von der Angst, daß alles so bleibt wie es ist oder sich alles verändert, zu lösen. Das Universum kennt keine Revolution, sondern nur Evolution. In der Selbstorganisation der Natur, zu der der Mensch ebenso gehört wie ein Baum, verwandelt sich alles unaufhörlich, so als würde die Schöpfung  nie aufhören, die Welt weiter zu erschaffen.