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Barbara Strohschein
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Ein gutes Zeichen – Wertschätzung für alte Menschen mit Demenz

11. Juli 2014 · 5 min. Lesezeit · Kategorie: Werte

Ein gutes Zeichen – Wertschätzung für alte Menschen mit Demenz

Was mich sehr beeindruckt und berührt hat: Eine gelebte Werte-Philosophie
Ein Aktionstag für Demenzkranke in Berlin
Ein gutes Zeichen: Für mehr Menschlichkeit und Toleranz wie alte Menschen zusammen Theater spielen und die Zuschauer bezaubern

Kennen Sie das aus Ihrer Familie? Vater oder Mutter, Großvater oder Großmutter sind dement geworden. Sie können sich an nichts mehr richtig erinnern, sind hilflos, verwirrt und orientierungslos. Ein Riesenproblem, eine Herausforderung und eine Geduldsprobe für die Betroffenen selbst, ihre Angehörigen und auch die Altenpfleger und Begleiter.

Aber es gibt Wege, mit diesem oft verleugneten und verdrängten Thema „Demenz“ anders als gewohnt umzugehen.

Auf dem Aktionstag „Vergissmeinnicht – Menschen mit Demenz im Scheinwerferlicht“ Ende Juni 2014 in der UFA-Fabrik, in Berlin, wurde dem zahlreich erschienenen Publikum gezeigt, wie Demenzkranken Respekt und Zuneigung entgegengebracht werden kann: durch Inspiration, Anregung, durch ein soziales, schöpferisches Tun.

Verschiedene Projekte mit Demenzkranken wurden vorgestellt: eine Trommel-Gruppe, Begegnung von Alten und Kindern in gemeinsamen Märchenstunden, geführte Museumsbesuche. Diese Projektpräsentationen wurden umrahmt von zwei Theaterstücken, von denen hier gleich die Rede sein wird.

Initiiert wurde dieser Aktionstag von Michael von Jan und Eva Bittner.

Der einfallsreiche und engagierte Michael von Jan hat Theaterwissenschaft studiert, war Tänzer, hat eine Ausbildung als Altenpfleger absolviert und begleitet seit Jahren alte Menschen. Er hatte eines Tages die Idee, seine Arbeit mit alten Menschen und Demenzkranken und seinen Theatererfahrungen zu verbinden.

Eva Bittner hat als erfahrene und vielseitig tätige Theaterpädagogin das „Theater der Erfahrung“, Werkstatt der alten Talente, mitbegründet, in dem ältere Laienschauspieler, eigene Stücke entwickeln und so die Themen des Lebens auf die Bühne bringen.

Charmant und philosophisch versiert, moderierte Prof. Johanna Kaiser (ebenfalls im „Theater der Erfahrung“ tätig) durch den Aktionstag, den die Bosch-Stiftung gefördert hatte. Frau Verena Rothe von der Bosch-Stiftung wie auch Vertreterinnen und Vertreter der Behörden, z.B. von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, waren anwesend und nahmen durch ihre klugen und herzlichen Redebeiträge Anteil an diesem Ereignis.

Michael von Jan und Eva Bittner haben zusammen mit Demenzkranken und älteren Laienschauspielerin das Stück „Ein Schiff wird kommen“ entwickelt, geprobt und aufgeführt. Die Geschichte des Stücks: Auf einer Kreuzfahrt, begleitet von einem sympathischen Schiffsteam, erzählen die älteren Herrschaften von ihren Erlebnissen und zeigen, was sie können. Das Biographische geht in das Stück mit ein. Es wird gelacht, gesungen und erzählt. Nicht nur auf der Bühne hatten die Beteiligten ihren Spaß, auch das Publikum amüsierte sich.

In jeder Aufführung wird improvisiert, nach einer festgelegten Grundgeschichte. Aus einem einfachen Grund: Demenzkranke merken sich nicht die Texte, können sich aber an eine Struktur halten, wenn sie durch das Stück durch Laienspieler (ohne Demenz) geführt werden. Das macht das Stück lebendig und authentisch – mit all den unerwarteten Witzen und der Komik des Moments. Michael von Jan und Eva Bittner führten zusammen die Regie, ehrenamtliche Helfer begleiteten die Arbeit.

In dem zweiten Stück „Eine andere Welt“ zeigen die älteren Laienschauspieler des „Theaters der Erfahrung“ in vielen kleinen Szenen, was die Demenzkranken und ihre Angehörigen erleben und erdulden.

Ergriffenheit und vollkommene Stille im Publikum. Es ging unter die Haut, was da sichtbar wurde und was es bedeutet, alt, vergesslich und hilflos zu sein. Oder sich aber in der Rolle derjenigen zu befinden, die bis zur Erschöpfung die immer gleichen Fragen und Probleme lösen zu müssen.

Doch das ist nur die eine Seite. Demenz ist nicht nur eine Zumutung, sondern ein besonderer Seinszustand, der die Betroffenen heiter, zeitlos und innig in einer anderen Welt leben lässt.

Für mich war dieser Tag ein konkretes Beispiel dafür, wie Wertschätzung für alte Menschen durch neue Ideen, Engagement, Mitgefühl und Zuneigung gelebt wird.

Durch dieses Projekt wurde gezeigt, wie wir einen anderen, liebevollen und neuen Blick auf das Altwerden und Demenz bekommen können. Dieser Tag diente dazu, die Öffentlichkeit auf diese Wege, mit alten Menschen anders umzugehen, aufmerksam zu machen.

Ein Vorbild und eine Anregung in jeder Weise.

Ein Aktionstag für Fachpersonal, Angehörige und Interessierte in der UFA-Fabrik-Berlin, 26.6.2014 Vergissmeinnicht – Menschen mit Demenz im Scheinwerferlicht“ ist ein Gemeinschaftsprojekt vom Theater der Erfahrungen und dem Ehrenamtlichen Besuchsdienst im Nachbarschaftsheim Schöneberg, unterstützt von der Bosch-Stiftung.