Der Präzedenzfall Spanien: Welchen „Wert“ haben Informationen? Was wäre Google ohne News?
Datenethik als Gedankenanstoß
Das Parlament in Spanien hat ein Gesetz über geistiges Eigentum verabschiedet. „Die Gesetzesreform sieht vor, dass Betreiber von Suchmaschinen grundsätzlich eine Gebühr an Verlage und Autoren zahlen müssen, wenn sie Auszüge aus deren Texten anzeigen. Wie hoch diese Abgabe sein soll, legt das Gesetz nicht fest. Google kritisierte, das Gesetz zwinge Verleger, dem Konzern eine Rechnung zu stellen, „sogar für die kleinsten Schnipsel von ihren Inhalten – und unabhängig davon, ob sie Geld fordern wollen oder nicht.“ (vgl. Spiegel online, mbö/dpa/AP, 11.12.2014)
Streng genommen haben wir hier einen Werte-Konflikt „von höchster Güte“ vorliegen. Auch in Bezug auf die Werte Philosophie. Und zwar in vierfacher Hinsicht. Als „Wert“ wird etwas angesehen, was unverzichtbar und wichtig erscheint und als solches festgelegt ist. Die Wert-Zuschreibungen werden in diesem Konflikt – allerdings implizite – sehr unterschiedlich gedeutet:
- Geistiges Eigentum gilt in Spanien, in diesem Gesetz als „Wert“, der nicht „gratis“ zur Verfügung gestellt werden soll. Das ist die Werte-Position, die in diesem Fall eingenommen wird.
- Die Veröffentlichung von Informationen (Texten) für Verlage und Medienhäuser gilt wiederum für Google als „digitaler Wert“, indem Google eine für alle unverzichtbare Plattform geschaffen hat, die dazu noch ohne Werbung bedient wird.
- Für Verlage und Medienhäuser sind Google News von großem Wert, um wichtige Informationen publik zu machen.
- Für Google hingegen scheinen Texte/Informationen dann von keinem großen Wert, wenn für sie und ihre Veröffentlichung auf Google News Google bezahlen soll.
Das Machtgefälle ist auch hier klar: Google siegt. Wer die Macht hat und nicht zahlen will (für geistiges Eigentum), verweigert einfach den Zugang zu einem Tor in die Internetwelt.
Auf wessen Seite – mal abgesehen von der Rechtslage – liegt eigentlich das höhere Recht? Wer verhält sich hier „ethisch“ angemessen?
“Das Machtgefälle bei Google News ist klar: Google siegt. Warum?“
„Die neue Regelung in Spanien sei ‚unnötig“ und, gefährlich‘ und werde‚ enorme Konsequenzen für die Freiheit und die Öffnung im Netz haben‘, prophezeite Jeff Jarvis. Spanien werde zu einem „internetfeindlichen Gebiet“. Er warnte: „Sie (die Gesetzesreform) wird nach und nach die journalistischen Firmen töten, weil niemand eine Gebühr für Verlinkungen wird zahlen wollen.“ (Vgl. spiegel online, mbö/dpa, 30.10.2014)
Aufgrund des Einwandes von Jarvis ließe sich der Schluss ziehen, der Staat Spanien verbaue Wege und entwerte indirekt Autoren – unter dem Aspekt, geistiges Eigentum zu schützen. Die (digitale) Entwertung würde dann stattfinden – durch die einfache Tatsache, nicht veröffentlicht, nicht gesehen und gelesen zu werden. Aufgrund der Tatsache, dass Google nicht für „geistiges Eigentum“ bezahlen will, entwertet es wiederum das geistige Eigentum.
Dieser Werte-Konflikt zeigt, wie wenig letztlich die Grundfrage gelöst ist: Was ist wichtiger und wertvoller: geistiges Eigentum oder die Veröffentlichung desselben?
Übersehen wird, dass letztlich alle aufeinander angewiesen sind. Man stelle sich nur vor, wenn sich alle Verlage, Medienhäuser u.a. weigern würden, auch nur eine Information über Google News zu veröffentlichen – Google News wäre am Ende. Oder etwa nicht?
Geistiges Eigentum wiederum hat streng genommen keinen Wert für die Allgemeinheit wie für die Autoren selbst, wenn es nicht öffentlich zur Kenntnis genommen wird.
Insofern wäre es von größter Bedeutung, ganz klare Regeln im Sinne einer Datenethik aufzustellen: Was genau und in welchem Umfang ist „als geistiges Eigentum“ zu bewerten!
Außerdem ist viel mehr ins Bewusstsein zu bringen, dass ohne die Texte und die ausformulierten Ideen von einzelnen kreativen Menschen oder auch Teams, unsere heutige Welt (wie die frühere) überhaupt nicht so existieren würden. Denn alles, was an Kultur, Technologie, Wissenschaft, soziale Organisationsformen etc. geschaffen wurde, ist das Arbeitsergebnis von geistig tätigen Menschen.
In sehr vielen Fällen der Geschichte haben diese geistig Tätigen sehr oft das Nachsehen gehabt: Weder Geld noch Ruhm folgte auf ihren Ideenreichtum.
In einem Zeitalter, in dem das Individuum eine solche große Bedeutung bekommen hat, wie noch nie zuvor, wäre der Respekt vor dem „geistigen Eigentum“ von Individuen – auch im Sinne einer Bezahlung – mehr als notwendig.
Aber nicht durch und in einem Machtkampf, der darauf hinausliefe: Alles gratis, damit’s jeder lesen kann!
Was würden die Google-Giganten sagen, wenn ihr „Groß-Projekt“ Google nicht einen Cent einbringen würde? Da dies bis jetzt vollkommen unwahrscheinlich ist, brauchen wir uns darüber wohl keine Gedanken machen.