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Barbara Strohschein
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Datenethik – unmöglich, nutzlos oder notwendig?

01. Dezember 2015 · 20 min. Lesezeit · Kategorie: Datenethik & digitale Werte

Datenethik – unmöglich, nutzlos oder notwendig?

Der Begriff „Datenethik“ entstand aus den Diskursen zwischen Ibrahim Evsan, Internet-Experte und mir als Philosophin, die sich mit der Wirkung von Werten und latenten wie aktuellen Entwertungen befasst, die auf allen Ebenen der Gesellschaft stattfinden.

Datenethik steht für uns als Oberbegriff für einen verantwortungsvollen Umgang mit allen Daten, die im Internet generiert, gesammelt, gespeichert und genutzt werden. Die Frage nach der Verantwortung im Umgang mit Daten orientiert sich an den Fragen: Welcher Nutzen und welcher Schaden entsteht durch wen und für wen im Umgang mit Daten? Und welche notwendigen Konsequenzen lassen sich aus der Antwort ziehen, um den Nutzen zu sichern und den Schaden zu vermeiden?

Die Ambivalenz des technologischen Fortschritts

Spieltrieb, Entdeckerfreude und Machtlust sind die häufigsten Motive, aus denen Erfindungen gemacht werden. Wie sich Erfindungen auswirken könnten, ist nicht Thema der Erfinder.

Das trifft auch auf die intelligenten Experten der digitalen Systeme zu, abgesehen davon, dass große Zukunftsvisionen einer total digitalisierten Welt von ihnen euphorisch vorweggenommen werden. So entstehen in rasendem Tempo Welten mit ungeahnten Möglichkeiten, von denen der Normalbürger nicht einmal träumt.

Computer, Internet und Algorithmen werden noch radikaler als bisher die Welt verändern. Was einst undenkbar schien, ist heute technologisch selbstverständlich: Raum und Zeit überwinden, die Materie entmaterialisieren, in unfassbaren Mengen Daten zu generieren und zu verwenden. Die Kunst, mit rekursiven, genetischen und evolutionären Algorithmen das Innenleben der Menschen und die gesellschaftliche Außenwelt zu steuern, zu optimieren, zu manipulieren, fasziniert vor allem die Entdecker selbst. Die brillanten Schriften von Ray Kurzweil – Erfinder, Futurist, Autor und Leiter der technischen Entwicklung bei Google – geben Kenntnis davon.

Eine schöne neue Welt, Gewinne oder Gefahr für die soziale Welt?

Technische Erneuerungen provozieren nicht das erste Mal in der Kulturgeschichte zwei extreme Haltungen: Allmachtsphantasien und Weltuntergangsstimmung. Die Moralisten und Mahner kommen jedoch weit weniger wirkungsvoll zu Wort als diejenigen, die vom technischen Fortschritt gefesselt sind und ihre Gewinne daraus ziehen. Denn sie entwerfen die Visionen einer Welt, in der die Menschen den Maschinen unterlegen sein werden, weil letztere schneller, intelligenter und noch kreativer als der Homo sapiens sind und und ihre Kapazitäten permanent exponentiell steigern.

In diesen beiden Betrachtungsweisen stehen Fortschrittsbejahung und Kritik an einer Technologiefeindlichkeit einerseits, die Angst und mahnende Einwände andererseits, einander gegenüber. Außerdem existieren fünf Wirklichkeiten nebeneinander – die technologische, die ökonomische, die politische, soziale und psychische, die nicht in ihrer realen Wechselwirkung gesehen werden.

Technologie und Ökonomie korrespondieren zwar sehr erfolgreich, politische Wirklichkeiten, soziale und psychische sind in diesem Kontext jedoch kaum oder gar nicht im Visier. Soziale, politische und psychische Komponenten werden in dem digitalen System eher als Störfaktoren oder als irrelevant für den technischen und ökonomischen Fortschritt erachtet. In der öffentlichen Diskussion über Technologie und Ökonomie wird der gesellschaftliche Aspekt jedoch nicht berücksichtigt.

Wo liegen die Konflikte?

Mich interessiert weder Technikschelte noch das Moralisieren. Vielmehr finde ich es lohnenswert, die inhärenten Konflikte des Problems und die nicht-sichtbaren Bewertungen, die in dem Verhältnis von Fortschritt und Angst vor dem Fortschritt liegen, in den Blick zu nehmen.

Welche menschlichen und sozialen Bedürfnisse und Interessen spiegeln die digitalen Systemen? Und welchen widersprechen sie radikal? Schließen sich Ethik und technologischer Fortschritt aus, weil das eine und das andere jeweils einer anderen Dynamik und anderen Gesetzmäßigkeiten folgt?

Wer ethisch denkt und handelt, fordert Moral, Begrenzung und Verantwortung. Technologischer Fortschritt dagegen ist unaufhaltsam, generiert sich aus sich selbst und folgt eigenen Gesetzen und nicht denen, die gesellschaftlich und rechtlich verankert sind oder einer (scheinbar) begrenzenden Moral entsprechen. Eigentlich könnte mit dieser Erkenntnis die Auseinandersetzung zu diesem Thema beendet sein. Doch genau hier wird es interessant, genauer hinzuschauen.

Philosophieren heißt, den Dingen auf den Grund zu gehen

Wer sind wir? Was tun wir? Was wollen wir? Diese Urfragen aus den Anfängen der Philosophie sind nicht nur aufschlussreich, um sich selbst zu erkennen. Sie sind auch geeignet, um die eigene Relevanz im Umgang mit den digitalen Systemen zu reflektieren.

Fangen wir beim alltäglichen Umgang mit dem Internet an.

Wer sind wir? Fast alle Menschen weltweit sind mittlerweile User. Der User ist gleichzeitig auch Konsument, Benutzer, Datenlieferant, Subjekt von Kontrolle und Überwachung, Einkäufer und Verkäufer, Kommunizierender. Da heute fast jeder das Internet nutzt, ist die Folge, dass keiner mehr an den Internet-Giganten wie Google, Facebook usw. vorbeikommt. Damit sind alle, die das Internet nutzen, abhängig. Wer abhängig ist und keine Alternativen hat, ist auch in gewisser Weise ohnmächtig. Oder nicht?

Was tun wir? Das Netz nutzen. Was sonst. Einkäufe können leicht getätigt werden, jeder kann sich mit jedem vernetzen. Informationen sind so leicht wie noch nie zuvor zu beschaffen. Weltweite Kommunikation ist in Sekundenschnelle für Proteste, politische Aktionen, Aufrufe, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch möglich. Die Folgen davon sind: Wer im Internet unterwegs ist, muss damit rechnen, überwacht und beobachtet zu werden bis in die privatesten Sphären.

Die durch das Handeln im Internet erzeugten Daten werden zum „Kapital“, aus denen Geschäfte generiert werden. Das Tun als eine Form des Nutzens drückt sich nicht nur im harmlosen Verwenden des Internet aus. Denn nicht nur Konsumenten, Vernetzer, Firmen und Weltretter nutzen das Internet, sondern genauso Terrororganisationen, Kriegstreiber und Denunzianten handeln mittels des Internets.

Irgendwie ist es mit dem Internet wie mit dem Feuer: Man kann sich daran wärmen und damit Licht erzeugen. Man kann damit auch die Welt in Brand setzen.

Wie man mit einer „Energie“ umgeht, hängt davon ab, was gewollt wird. Also fragen wir:

Was wollen wir? Nicht groß nachdenken und das Internet nutzen? So wie nicht jeden Tag darüber nachgedacht wird, ob es gut und richtig ist, Weißbrot zu essen, das angeblich ungesund ist, aber gut schmeckt, so wird auch nicht jeden Tag nachgedacht, wer einen Zugriff auf meine Daten hat und hinter meinem Rücken Geschäfte damit macht. Einerseits.

Abgesehen von dem einfachen und nützlichen Gebrauch des Internets wollen andererseits viele User noch viel mehr: Sich präsentieren, in Kontakt sein, dazugehören, sich austauschen, sich spiegeln und global unterwegs sein, ohne das Zimmer zu verlassen. Das sind ebenfalls die entscheidenden Bedürfnisse, die das Wollen steuern.

Doch mit diesem Wollen wird einiges in Kauf genommen und – verdrängt. Immer wieder höre ich – von sonst sehr kritischen Geistern: „Es ist mir doch egal, wer was mit meinen Daten macht. Ich habe nichts zu verbergen.“

Das „Vertrauen“ in die Technologie erübrigt jeden Widerstand.

Dieses „Gottvertrauen“ und das „Vertrauen“ in die Technologie erübrigt jeden Widerstand. Die Folgen dieses Gottvertrauens können einem jedoch teuer zu stehen kommen. Diesem Wollen folgt dann die hilflos anmutende Frage: Hilfe, was tun? Wenn z.B. höchst private Daten, die als geschützt gelten, gehackt werden. Wenn peinliche und intime Details, die einem die Schamröte ins Gesicht treiben, plötzlich ans Licht der Öffentlichkeit kommen.

  • Kürzlich der Fall: Wenn man im Internet „heruntergemacht“ wird?
  • Jeden Tag der Fall: Wenn man ausgespäht wird?
  • Trend, der zunimmt: Wenn man mit Werbung zugemüllt wird?
  • Geschieht täglich: Wer will diese unsichtbare Bemächtigung seiner Daten?

Mit Sicherheit würde das jeder verneinen: Das will ich nicht! Aber wie wollen wir das verhindern, was wir gleichzeitig mit dem Internet in Kauf nehmen müssen? Das beschäftigt auch meine technologische Neugier!

Im großen Stil betrifft diese Frage auch den politischen Umgang mit den digitalen Systemen.

  • Soll allen Botschaften, allen Möglichkeiten, die das Internet wie die digitalen Systemen bieten, ein Freiraum gegeben werden – mit allen Vor-und Nachteilen?
  • Wenn der Freiraum eingeschränkt oder gar total beschnitten wird – zum Beispiel für rechtsradikale Inhalte, für destruktive und diffamierende Aussagen, für Kriegstreiber, für die Planung von Terroranschlägen und andere menschheitsgefährdende Aktionen?
  • Wer kann diese Freiheitsbeschneidung wie durchsetzen, auf welcher Rechtsgrundlage und mit welchen technologischen Mitteln?
  • Und wer handelt in welchem Interesse – um den Freiraum und die Grenzen zu bestimmen?

Ethik – um über Schaden und Nutzen zu entscheiden?

Ethik ist als „Sittenlehre“ ein Aspekt der Philosophie. Ethik betrifft alle sittlichen Normen, auf denen verantwortungsbewusstes Handeln aufbaut.

Sittlichkeit ist ein altmodischer Ausdruck für die Übereinstimmung des Denkens und Handelns

Sittlichkeit ist ein altmodischer Ausdruck für die Übereinstimmung des Denkens und Handelns mit den von vielen Menschen akzeptierten Regeln des Zusammenlebens und der Orientierung an Werten wie z.B. Respekt, Anstand und Gerechtigkeit. Es ist ausgiebig darüber disputiert worden, ob und wie Ehtik kultur- und zeitspezifisch oder eine Art natürlicher Ausdruck des Menschen ist. Ich sehe Ethik als ein Aspekt des menschlichen Selbsterhaltungstriebes an. Wenn Ethik fehlt, fehlt auch Verantwortungsbewusstsein. Und wenn das fehlt, fehlt auch das Bewusstsein darüber, was wir für uns selbst verantworten oder nicht verantworten können, um uns zu erhalten und nicht zu zerstören.

Was kann also vernünftigerweise getan werden, damit sich Menschen nicht gegenseitig oder selbst destruieren, ihre Würde behalten und ihr Überleben sichern? An dieser Frage orientiert sich auch das persönliche Gewissen. Was tue ich, um mir und anderen zu nutzen und zu schaden? Das Gewissen ist wie das Zünglein an der Waage, durch das darüber entschieden werden kann.

Wie entscheiden, was nutzt oder schadet?

Um über Nutzen oder Schaden entscheiden zu können, muss man:

  • die richtigen Fragen stellen,
  • Wissen erwerben,
  • Zusammenhänge durchschauen und begründet Schlüsse daraus ziehen,
  • auf eine klare Rechtslage zurückgreifen können.

All dies ist bis jetzt nicht der Fall. Vor allem deshalb, weil es sich hier um einen komplexen wie komplizierten Entscheidungsakt handelt, in dem sehr viel vorausgesetzt wird. Das kann keineswegs als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Warum?

  • Die Fragen werden bis jetzt von zu wenigen gestellt.
  • Das technologische Wissen in Bezug auf die digitalen Systeme ist so komplex, dass letztlich nur wenige Experten den Durchblick haben.
  • Die Zusammenhänge zwischen den technologischen Möglichkeiten, den Folgen für die Gesellschaft und den Einzelnen sind schwer durchschaubar.
  • Die Rechtslage ist ungeklärt bzw. nur partiell geklärt.

Widersprüchliche Bedürfnisse als Kontrapunkt der Ethik

Ist Ethik eine Lösung? Eine alleinige Lösung sicher nicht! Weil, wie schon eben gesagt, viele Bedingungen erfüllt sein müssen, um überhaupt ethisch entscheiden und wirksam handeln zu können.

Dazu kommt, dass Ethik einerseits den existentiellen menschlichen Bedürfnissen nach Schutz, Gerechtigkeit und Anerkennung entspricht, weil dies z.B. Aspekte einer „Sittlichkeit“ sind. Andererseits widerspricht Ethik den Bedürfnissen, weil das Insistieren auf und die Forderung nach Sittlichkeit und Anstand als eingrenzend, lustvermindernd und zu anstrengend wie auch nutzlos erscheinen.

Spielen wir es an 6 menschlichen Bedürfnissen durch

  1. Das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit, denn niemand will zu Schaden kommen. Insofern braucht es eine (ethische/rechtliche) Instanz, die darauf aufpasst, dass dies nicht geschieht. Doch diese Instanz gibt es nur begrenzt oder gar nicht. Oder wenn es sie gibt, kann sie als einengend und bevormundend wahrgenommen werden.
  2. Das Bedürfnis nach Selbstdarstellung. Doch wie und mit welchen eigenen Wertvorstellungen stellt man sich dar? Wie kann man sich als öffentlich präsente Person vor Angriffen schützen?
  3. Das Bedürfnis nach Freiheit, d.h. in der Forschung und technologischen Entwicklung nicht durch Gesetze und politische Eingriffe beschränkt zu werden. Diese Freiheit ist aber nicht automatisch mit Verantwortungsbewusstsein verknüpft. Wer übernimmt die Verantwortung für die Folgen der Forschung? Außerdem ist für die Forscher notwendig, über genügend Finanzen zu verfügen. Finanzierung von Forschung ist jedoch sehr oft an die Bedingung geknüpft, die Ergebnisse lukrativ zu verwerten, was durchaus ethischen Maßstäben widerspricht.
  4. Das Bedürfnis, nicht bevormundet zu werden. Doch Orientierung und Führung fehlen und ebenso so ein guter Rat. Orientierung, Führung und Rat können jedoch trotz des Wunsches danach als Bevormundung empfunden werden und als narzisstische Kränkung.
  5. Das Bedürfnis, nicht ausgenutzt zu werden. Doch mit dem Nutzen des Internets geschieht dies automatisch und undurchsichtig.
  6. Das Bedürfnis, respektiert und anerkannt zu werden. Doch jemanden abzuwerten, wenn die Anerkennung ausbleibt, hebt das Selbstwertgefühl.

Will jemand auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse verzichten, auch wenn sie schaden? Wirkt Ethik nicht auch als überflüssiger und lästiger Einwand, der beiseite geschoben wird, weil die Befriedigung der Bedürfnisse wichtiger ist als ethisch, d.h. „vernünftig“ und „verantwortlich“ zu handeln? Die Ambivalenz der Bedürfnisse schafft Probleme, die oft weder erkannt noch gelöst sind.

Die ungelösten Probleme

Offene Interessenkonflikte

Der Interessenkonflikt, in dem die User selbst stehen: Das Internet nutzen wollen und müssen und sich damit gleichzeitig einem System „ausliefern“, in dem sie nur auf der Nutzungsebene „Macht“ haben, aber nicht über das System selbst. Der Interessenkonflikt, in dem die Gesellschaft – d.h. die Politik, die Unternehmen, die Wissenschaft, die Kultur – den Internet-Giganten gegenübersteht: Ohne Google zum Beispiel geht es nicht. Dieses Angewiesensein schränkt den Machteinfluss und die Selbstbestimmung und das Wahren eigener Rechtsinteresse ein.

Keine verbindliche Werte-Orientierung im Internet

Jeder will respektiert werden, ohne dass klar ist, wie das in der digitalen Kommunikation garantiert werden soll.

Wer sich im Netz präsentiert, muss mehrere potentielle „Werte-Verletzungen“ in Kauf nehmen.

Jeder will sich äußern und präsentieren, ist auf die Internetpräsenz angewiesen und muss damit rechnen, damit auch mehrere potentielle „Werte-Verletzungen“ in Kauf zu nehmen: z.B. nicht hinreichend akzeptiert zu werden, etwa zu wenige Likes zu bekommen, Frustration, dass niemand auf einen Beitrag reagiert, blöde Bemerkungen, Kränkungen, Abwertungen, mangelnde Resonanz.

Dass beleidigende und vernichtende Statements schnell gelöscht werden, ist keineswegs sicher. Peinliche Recherchen, beispielsweise nach Sexdates, lösen nachfolgend eine Flut von peinlichen Angeboten aus, die nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind. Werbeangebote werden nicht eingedämmt und vermehren sich.

Faktische Entrechtung der User durch Nutzung ihrer Daten

Die durchschnittlichen User haben keine Ahnung, was wie mit ihren Daten geschieht. Sie verschwinden im Orkus, werden „irgendwo“ gesammelt, gedeutet, genutzt und verwendet. Dass Daten einen Eigentumswert haben, spielt dabei keine Rolle.

Mangelnde Information und mangelndes Interesse an Technologie und Rechtsfragen vonseiten vieler User

Es ist zweifellos anstrengend, mühsam und bis jetzt wenig effektiv, sich um die Lösung dieser Macht- und Rechtsprobleme als einzelner User zu kümmern und sich die entsprechenden technologisch relevanten Informationen zu holen. Außerdem bleibt die Frage: Welche Wirkung hätten im Einzelfall diese Informationen? Können User, weil sie wissen, respektiv ahnen, was mit ihren Daten geschieht, sich überhaupt wehren? Einzelne haben so gut wie keine Macht, außer ganz aus dem System auszusteigen. Immer noch vorhandene Technologie-Skepsis, -Ignoranz, -Abwehr und eine auch verständliche Bequemlichkeit spielen hier eine Rolle, trotz der täglichen Nutzung.

Die ungeklärten Rechtsfragen die Freiheit und Grenzen der digitalen Großkonzerne betreffend

Das Gerangel zwischen Politik und Rechtssprechung und den Internet-Giganten erinnert an das Hornberger Schießen. Warum sollten die Silicon-Valley-Experten und die Google-Chefs sich von Regierungen etwas sagen lassen? Auf welcher Rechtsebene? Und schon gar durch internationale Rechtssprechung?

Das Netz, das geschaffen worden ist, ist soweit gespannt und umfassend, jeden sowie alle Lebensbereiche betreffend, dass es kein Entrinnen mehr gibt. Insofern sind die Machtverhältnisse eo ipso klar. Es ist kein Wunder, dass sich die introvertierten, erfolgsverwöhnten, profitmächtigen, digitalen Erfinder in ihrem Spieltrieb keine Rechtsriegel vor die Tür schieben lassen wollen. Deshalb ist die Regelung von Recht mühsam und bis jetzt auch ineffektiv.

Die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt und all unserer Lebensbereiche

Wir kriegen es im Alltag unmittelbar gar nicht mit, dass immer mehr Arbeiten von Robotern übernommen worden sind und – bis in die Landwirtschaft – Arbeitsvorgänge über den Computer gesteuert werden. Das ist nur der Anfang, wie Constanze Kurz und Frank Rieger in ihrem Buch „Arbeitsfrei“ sehr konkret beschrieben haben. Das selbstfahrende Auto, die Molekularmedizin, die Digitalisierung der Rechtssprechung, des Journalimus und der Diagnose von Krankheiten werfen nicht nur ethische Fragen, sondern Werte- und Bewertungsprobleme auf. Hier spielt noch einmal auf einer weiteren Ebene die bereits gestellte philosophische Frage wieder eine Rolle: Was sollen wir tun? Wie verhalten sich Staat, Gesellschaft, jeder Einzelne dazu? Mit welcher Werte-Haltung? Durch welche (ethische) Entscheidungen?

Und warum gibt es diese Probleme?

Ein Grund dafür sind aktuelle, nicht beantwortete Fragen, die ich hier noch einmal zusammenfasse:

  • Rechtsfragen: Wer bekommt wie von wem welche Rechte zugestanden, Daten zu nutzen?
  • Machtfragen: Wem darf warum erlaubt werden, wen und was zu nutzen und wen zu überwachen?
  • Wertefragen: Welche Werte zählen überhaupt? Wer ent- und bewertet wen warum?
  • Ethische Fragen: Welche Gewissensfragen sind zu beantworten, um zwischen Nutzen und Schaden von wem und für wen abzuwägen?
  • Existenzfragen: Welche Würde haben Menschen im Internet? Ist menschliche Würde vereinbar mit Ausnutzung, Kontrolle, Überwachung und Entwertung von Inhalten und Personen?

Datenethik – Illusion oder Ausweg?

Ethisch fundierte Entscheidungen lassen sich nicht allein rechtlich erzwingen. Sie sind auch nicht per Rezept zu verordnen. Es ist wie bei der Einnahme eines Medikaments. Man muss akzeptieren, dass es hilft, gesund zu werden, darauf bauen, dass die Verschreibung hilft, den Beipackzettel lesen und dann auch das Medikament einnehmen.

Außerdem muss man natürlich dem Arzt vertrauen, der das Rezept verschreibt und Heilung verspricht. Oder sehen Sie das anders? Wenn der Arzt klug ist, fragt er genau nach und will wissen, wie der Patient selbst seine Probleme sieht. Also ist Ethik nicht eine Sache einer Kommission, eines Einzelnen oder eine Expertengruppe, sondern streng genommen eine Einsicht für alle und von allen.